Ich frage mich in letzter Zeit, ob die Gender-Debatte nicht genau das Gegenteil von dem bewirkt, was sie eigentlich wollte. Statt mehr Verständnis, mehr Schutz und mehr Freiheit scheint die Diskriminierung zuzunehmen – für Frauen, für Homosexuelle, für Trans- und non-binäre Menschen.
Das Anliegen wäre gut: Benachteiligte Gruppen sichtbar machen, ihnen Raum geben, Diskriminierung abbauen.
Doch die Realität? Immer öfter lese ich von Anfeindungen. Frauen, die nicht ins Barbie-Ideal passen – z.B. kurze Haare, kräftige Statur – werden auf Damentoiletten schräg angeschaut, sogar angefeindet – weil man sie für Männer hält, die sich einschleichen. Noch vor wenigen Jahren war das kein Thema. Jetzt wird ihr Frausein plötzlich misstrauisch beäugt, als müsste man Beweise vorlegen, was zwischen den Beinen ist.
Auch Männer spüren den Druck. Schon Herbert Grönemeyer hat gefragt: Wann ist ein Mann ein Mann? Die Antworten, die junge Männer heute in den sozialen Medien finden, sind oft radikal – und alles andere als befreiend.
Ironischerweise scheint die hitzige Gender-Debatte ein sehr enges, altmodisches Frauen- und Männerbild zu zementieren.
- Für Frauen: Zierlich, lange Haare, geschminkt, möglichst gefällig. Wer dem nicht entspricht, steht unter Verdacht.
- Für Männer: Ein knallharter Muskelprotz mit viel Geld muss man sein, um dazuzugehören.
Am Ende läuft es auf die uralten Klischees hinaus: Die Frau reduziert zur Gebärmaschine, der Mann degradiert zum Bancomat. Und jene, die in keine dieser Schubladen passen, stehen noch stärker im Feuer des Hasses und der Gewalt. Genau diese Stereotypen wollten wir doch eigentlich überwinden.
Haben wir das Ziel verfehlt? Statt Ermächtigung scheint eine Welle der Erniedrigung über jene hereinzubrechen, die wir eigentlich schützen sollten. Oder könnte es sein, dass es sich hierbei um das berühmte Aufbäumen vor dem Fall handelt? Ein letztes, schrilles Zucken der alten Stereotype - bevor sie endgültig verschwinden?
Klar ist: Die Dauerpräsenz in Medien und Politik ist definitiv nicht nur Schutzschild, sondern auch Brandbeschleuniger für Hass. Deshalb sollte der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit immer verantwortungsvoll eingesetzt werden.