Nicht das Familienmodell ist das Problem. Sondern das System.

Nicht das Familienmodell ist das Problem. Sondern das System.

Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Und das ist gut so.
Rollenbilder werden hinterfragt, neue Lebensentwürfe ausprobiert, alte Muster aufgebrochen. Immer mehr Frauen machen Karriere, immer mehr Männer übernehmen Care-Arbeit. Vielfalt ist gewachsen – aber mit ihr auch die Tendenz, einander zu bewerten. Zu sagen, was richtig ist. Und was falsch.

Wer heute als Mutter zu Hause bleibt, wird schnell belächelt. Wer früh wieder arbeiten geht, wird genauso kritisiert. Wer Glück hat und einen Kitaplatz bekommt - also die Kinder fremdbetreuen lässt - muss sich erklären. Wer sie selbst betreut, ebenfalls.
So tun, als ob es nur ein richtiges Familienmodell gäbe – das war früher so. Und scheint heute wieder en vogue zu sein. Nur mit umgekehrtem Vorzeichen.

Aber ganz ehrlich: Nicht das traditionelle Familienmodell ist das Problem. Sondern das System, das es bestraft.

Denn was ist heute die Realität?
Wer sich entscheidet, zu Hause die Kinder zu betreuen – meist die Frau –, gerät oft in eine finanzielle Abhängigkeit, die später in Altersarmut münden kann. Und das, obwohl genau diese unbezahlte Arbeit unsere Gesellschaft überhaupt erst am Laufen hält.

Gleichzeitig wird es für viele Familien immer schwieriger, sich überhaupt zu entscheiden. Die Wahrheit ist: Viele Paare müssen heute beide hochprozentig arbeiten, um über die Runden zu kommen. Wer das nicht tut – oder nicht tun kann – zahlt drauf: finanziell, karrieretechnisch, fürs Alter. Vor allem Frauen. Der Druck kommt von allen Seiten: vom Arbeitsmarkt, von der Steuerpolitik, von der Rentenlogik.

Gleichzeitig wird es Müttern oft schwer gemacht, nach der Geburt wieder einzusteigen. Aber sie tun es, weil sie wissen: Wenn sie nicht sofort zurück in den Job gehen, sind sie raus. Und im schlimmsten Fall später auf sich allein gestellt – ohne Absicherung, ohne Rente. Wer nach der Geburt nicht schnell wieder arbeitet, verliert nicht nur den Anschluss, sondern auch die Absicherung.

Wenn beide Elternteile voll arbeiten, steht oft keine bezahlbare, gute Betreuung zur Verfügung. Das ist kein freies System – das ist ein Zwangskorsett.

Wir brauchen keinen Kulturkampf um das richtige Leben.
Was wir brauchen, ist ein System, das Care-Arbeit ernst nimmt. Das Eltern ermöglicht, frei zu entscheiden – ohne Druck, ohne Schuldgefühle, ohne Nachteile.

Ich bin überzeugt: Wir brauchen ein System, das Wahlfreiheit ermöglicht – ohne Risiko, ohne Reue.
Ein System, das nicht bestimmte Modelle belohnt oder andere bestraft, sondern Eltern dort unterstützt, wo sie sind.
Tatsache ist, dass man sich heute nicht wirklich frei entscheiden kann.


Drucken